1. Szene:
|
3 Mägde kommen aus der
Burg, tragen Körbe mit Wäsche, die sie in der Altmühl waschen wollen |
Resl: |
Langsam, langsam, warum
rennst denn so, Marie? |
Marie: |
Du hast recht, Resl.
Komm, Eva, setzen wir und ein bisschen. |
|
Alle drei setzen sich
auf einen neben dem Weg liegenden Baumstamm. |
Eva: |
Habt ihr heute Nacht
auch den Grafen Iwan und seine Söhne geistern gehört? Nur so rumort
und gegrölt und gestritten haben sie im Rittersaal. |
Marie: |
Ja, ich habe sie auch
gehört. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt unter meiner Decke. |
Resl: |
Geht weiter! Glaubt doch
die alten Spukgeschichten nicht! Das war unser Vogt, der mit seinen
Gästen zu viel Met getrunken hat. Und beim Würfelspiel sind sie sich
in die Haare geraten. |
Marie: |
Aha! Deshalb habe ich
heute früh schon Eis für einen Eisbeutel aus dem Keller holen
müssen. Und die Vogtin läuft schon den ganzen Morgen mit einem
grantigen Gesicht rum und macht Krach wegen jeder Kleinigkeit. |
Resl: |
Dafür gibt's schon einen
andern Grund. Wisst ihr denn nicht, dass heute Abend der Burgherr,
Freiherr Friedrich von Heideck, zu Besuch kommt? Schon in aller
Frühe hat ein Bote die Nachricht gebracht. So hohe Gäste machen nur
Arbeit und fressen die Vorratskammern leer. |
Eva: |
Aha!, Deshalb müssen wir
die vielen Tischtücher und Betttücher waschen! Aber was will denn
der Graf in Dollnstein? |
Marie: |
Hast nicht ein bisschen
gehorcht? |
Resl: |
Gehorcht habe ich schon,
aber ich hab's nicht so recht verstanden. Vom König Wenzel war die
Rede und von einem Gunstbeweis. |
Eva: |
Was hat denn das zu
bedeuten? |
Marie: |
Vielleicht kommt gar der
König zu Besuch? Ich möchte bloß wissen, ob auch der König ein
Holzscheit die steile Burgtreppe hinauftragen würde. |
Resl: |
Warum nicht? Das muss
jeder Besucher der Burg. Das ist ein ganz alter Brauch. Aber ich
glaube nicht, dass König Wenzel nach Dollnstein kommt. |
Eva: |
Kommt, schicken wir uns
lieber! Sonst wird die Vogtin noch richtig grantig, wenn sie alle
Vorbereitungen selbst treffen muss. |
|
|
2. Szene: |
Die Mädchen nehmen die
Körbe auf und gehen weiter. Ihnen entgegen kommt ein Bauernbursche
mit einer Hacke auf der Schulter. |
Marie: |
Schau, Resl, da kommt
dein Franz! |
Resl: |
Geht derweil zu.
Wir haben noch was zu besprechen. |
Eva: |
Aber lasst euch nicht
von deinem Vater sehen! Der reiche Moierbauer sieht's nicht so gern,
wenn seine Resl mit dem Jüngsten vom Kipferler geht. |
Resl: |
Kümmere du dich nur um
deine Sache! |
|
Eva und Marie gehen
kichernd weiter. Franz und Resl umarmen und küssen sich. |
Resl: |
Musst du nicht
draußen auf dem Feld arbeiten? Wenn dich dein Bauer sieht, gibt's
Ärger. |
Franz: |
Ja schon, aber ich hab
halt so Sehnsucht nach dir gehabt. Ich hab dich sehen müssen. Sag,
Resl, wann können wir beim Vogt um die Heiratserlaubnis bitten? |
Resl: |
Mein Vater sagt, das
hätte gar keinen Zweck. Er sagt, du bist nichts und du hast nichts.
Nur wer eine Familie ernähren kann, darf heiraten. Er sagt, ich soll
einen Handwerksmeister oder Kaufmann heiraten, da hätte ich es
einmal besser. |
Franz: |
Ich bleib nicht immer
Bauernknecht. Ich hab gehört, der Bischof von Eichstätt sucht
Söldner. Mancher Landsknecht ist schon zu Reichtum gekommen und hat
sich dann eine eigene Sach' richten können. |
Resl: |
Ja, durch Morden und
Rauben! Wenn du das tust, will ich dich gar nimmer sehen. Lieber
gehe ich ins Kloster nach Marienstein, als die Frau von einem
Landsknecht zu werden. |
Franz: |
Geh, Resl, sei wieder
gut! Vielleicht findet sich noch was anderes. Könnte sein, dass ein
Bauer seinen Zehnten nicht mehr zahlen kann, dann wird ein Hof für
uns frei. |
Resl: |
Und warum soll der Vogt
dann gerade dich belehnen?
Aber heute Abend kommt Freiherr Friedrich von Heideck nach
Dollnstein. Vielleicht kann der uns helfen. Du kannst doch ein
bisschen lesen und schreiben und hast einen klugen Kopf. |
Franz: |
Schön wär's! Ich
versuch's mal und sprich ihn an. |
Resl: |
Mach dir nicht zu
viel Sorgen! Die Hauptsache ist, dass wir uns gern haben.
Sie singt: Ich bin din,
du bist min,
du bist beschlossen in meinem Herzen,
verloren ist das Schlüsselin,
du musst immer drinnen sin. |
|
|
3. Szene: |
Aus Richtung Hagenacker
vom Feld her kommt ein Bauer gelaufen. Er gestikuliert und macht
einen aufgebrachten Eindruck. |
Resl: |
Schau, da kommt dein
Vater! |
Franz: |
Was ist der denn so
aufgebracht? |
Kipferler: |
Ihr, Dirn, schaut, dass
ihr hier verschwindet! Die Geißler kommen!
Das ist kein Anblick für euch. Ich hole den Herrn Pfarrer. Franz,
sag du in der Burg Bescheid! |
|
Franz und Kipferler ab.
Die Mädchen packen ihre Körbe und ziehen sich ängstlich zurück.
Aus Richtung Hagenacker hört man Singen.
Lied im Gotteslob Nr.
163
Aus tiefer Not
schrei ich zu dir,
Herr Gott erhör mein Rufen;
dein gnädig Ohr neig her zu mir
und meiner Bitt es öffne.
Denn so du willst das sehen an,
was Sünd und Unrecht ist getan,
wer kann, Herr, vor dir bleiben.
Es steht bei
deiner Macht allein,
die Sünde zu vergeben,
auf dass dich fürchte groß und klein,
du einzig Heil und Leben.
Darum auf Gott will hoffen ich,
auf ihn will ich verlassen mich
und seinem Wort vertrauen. |
|
|
4. Szene: |
|
Eva: |
Was hat der Kipferler
gesagt? Die Geißler kommen? |
Resl: |
Ja, die Geißler. Die
ziehen von Stadt zu Stadt, geißeln sich und rufen die Menschen zur
Buße auf, damit die Pest nicht wieder kommt. |
Marie: |
Dann sind das ja gar
keine bösen Menschen, vor denen wir Angst haben müssten. |
Resl: |
Böse nicht, aber
gefährlich! Der Papst hat sie aus der Kirche ausgeschlossen, aber
die kümmert das gar nicht. |
|
Die Mädchen bekreuzigen
sich. |
|
|
5. Szene: |
Ein Zug Geißler in
schwarzen Umhängen mit weißem Kreuz nähert sich singend. Die Mädchen
weichen in eine Ecke zurück. Pfarrer und Kipferler stellen sich
ihnen entgegen. Sie werden begleitet von Männern, Frauen und
Kindern. |
Pfarrer: |
Halt! Keinen Schritt
weiter! In meiner Pfarrei will ich euch nicht haben. |
1. Geißler: |
Hochwürdiger Vater, wir
wollen in eurer Kirche nur die schönen Chorgemälde ansehen und beten
und Buße tun. Das kann doch nicht verboten sein! |
Pfarrer: |
Ja, das kenne ich schon,
vor dem Altar beten und hinter dem Altar Unzucht treiben! Und wenn
ihr weg seid, fehlen Kerzen, Opferstock und Messkelch. |
2. Geißler: |
Ein bisschen weniger
Geld und weniger Prunk kann der Kirche nicht schaden. Ihr Priester
richtet euch auf der Erde schon das Paradies ein. Und woher kommt
euer Reichtum? Dem Volk habt ihr's weggenommen. |
Pfarrer: |
Die Kirche nimmt nur,
was man ihr freiwillig gibt.
Aber nun schert euch weiter! |
1. Geißler: |
Ihr wollt uns nicht in
die Kirche lassen? Aber einen anderen könnt ihr nicht aufhalten, den
Schwarzen Tod. Er ist die Strafe für unbußfertige Sünder. |
Pfarrer: |
Ihr seid es doch gerade,
die die Pest von Ort zu Ort tragen. Deshalb hat euch auch der Papst
exkommuniziert. |
2. Geißler: |
Welchen Papst meint ihr
denn? Urban VI. in Rom oder Clemens VII. in Avignon? Die beiden
Päpste haben sich gegenseitig exkommuniziert, also haben wir
eigentlich gar keinen Papst. |
3. Geißler: |
Und wir brauchen auch
keinen Papst! Und keine unwürdigen Bischöfe und Priester, die sich
ihr Amt gekauft haben.
Hochwürden, wieviel habt ihr dem Grafen von Heideck bezahlt, dass er
euch zum Pfarrer von Dollnstien gemacht hat? |
Pfarrer: |
Genug gestritten! Zieht
weiter! Ich werde es nicht zulassen, dass ihr wie Wölfe über meine
Schäflein herfallt. |
2. Geißler: |
Ja, ja, dass ihr und der
Freiherr sie umso besser scheren könnt.
Ihr Bauern und Handwerken hört auf mich! Schüttelt ab das geistliche
und weltliche Joch! Durch welches Recht sind die, die ihr Herren
nennt, besser als ihr?
Wenn wir alle von den gleichen Ureltern, Adam und Eva, abstammen,
wie können sie dann behaupten oder beweisen, dass sie besser sind
als ihr? Außer dadurch, dass sie Gewinn aus eurer Arbeit ziehen, den
sie in ihrem Hochmut verschwenden. |
|
Geißler singen:
Als Adam grub und
Eva spann
wer war denn da der Edelmann?
Spieß voran, drauf und dran
setzt aufs Klosterdach den roten Hahn. |
|
|
6. Szene: |
Währendessen ist der
Vogt Seyfried von Dollnstein mit einigen Bütteln aufgetaucht. |
Vogt: |
Was singt ihr da? Ihr
werdet mir meine Bauern nicht aufwiegeln! Schert euch fort oder ich
lasse euch ins Burgverlies werfen!
Die Büttel gehen auf die
Geißler zu. Diese weichen zurück und lenken ein. |
1. Geißler: |
So war's nicht gemeint.
Wir sind nur aufgebracht, weil uns der Herr Pfarrer das Beten in der
Kirche verweigert. |
Vogt: |
Und auch ich tue das.
Noch heute Abend erwarten wir den Burgherrn, den edlen Friedrich von
Heideck, mit Gefolge. Da passt ihr nicht dazu. Ich werde euch Geld
für die Wegzehrung geben, wenn ihr friedlich weiterzieht. |
|
Er zeigt einen gefüllten
Beutel. Die
Geißler beraten sich kurz. |
1. Geißler: |
Wenn die Wegzehrung
nicht zu knapp ausfällt, sind wir zum Weiterziehen bereit. |
|
Der Vogt wirft ihm das
Geld zu. |
1. Geißler: |
Auch so kann man Buße
tun. Gott segne euch und halte die Pest von euch fern! |
|
Die Geißler formieren
sich. Einige entblößen den Oberkörper und geißeln sich. Singend
ziehen sie ab. Das Volk zeigt ihnen seine Sympathie.
Geißler singen:
Nun hebt auf
eure Hände,
dass Gott das große Sterben wende,
nun hebet auf eure Arme,
dass Gott sich über uns erbarme.
Jesus, durch deine Namen drei
mach, Herre, uns von Sünden frei!
Jesus, durch deine Wunden rot
behüt uns vor jähem Tod! |
7. Szene: |
|
Vogt: |
He, was steht ihr noch
rum und glotzt! Ab, an die Arbeit! Aber kommt am Abend vor die Burg,
um unsern Herrn zu empfangen! Er bringt eine gute Botschaft. Büttel,
hol mir den Bürgermeister in die Burg! |
|
Der Moier hat seine Resl
beim Franz stehen sehen und fährt jetzt dazwischen. |
Moier: |
Zum Donnerwetter! Hab
ich dir nicht verboten, dich mit dem Halodri zu treffen? So was
hat's doch maleta noch nicht gegeben, dass eine Tochter nicht tut,
was ihr Vater will. |
Resl: |
Wir haben uns doch gern.
Einen andern mag ich nicht, und wenn er ein Graf wäre. |
Moier: |
Nichts wie Flausen im
Kopf!
Wen du gern haben darfst, das weiß ich besser. Los, geh an die
Arbeit! Die Vogtin braucht dich notwendig. |
Vogt: |
Da seht ihr's! Nichts
wie Aufsässigkeit! Schon bei den Mägden! |
|
|
8. Szene: |
Alle, bis auf Vogt und
Pfarrer, gehen ab. |
Pfarrer: |
Ich danke euch, Herr
Seyfried! Wer weiß, was ohne eure Hilfe geschehen wäre? |
Vogt: |
Das habe ich auch für
mich getan.
Nicht auszudenken, wenn heute Abend Geißler Unruhe stiften würden.
Mein Herr würde mich mit Schimpf und Schande davon jagen. |
Pfarrer: |
Und auch ich müsste mich
um eine andere Pfarrei umschauen.
Die Geißler haben ja Recht mit ihrer Kritik an den Zuständen in der
Kirche. Die zwei Päpste in Rom und Avignon sind ein großes Ärgernis.
Die Kirche muss wirklich unter dem Schutz Christi stehen, sonst wäre
sie bei so schlechten Päpsten und Kardinälen schon längst
zusammengebrochen. Ich bete jeden Tag um eine Verbesserung der
Verhältnisse. |
Vogt: |
Dann schließt nur gleich
den König in euer Gebet ein! König Wenzel kümmert sich nur um sein
Königreich Böhmen, das deutsche Reich aber ist ihm gleichgültig.
Viel lieber geht er auf die Jagd als auf Reichsvisite. Deshalb
werden die Fürsten immer mächtiger und unabhängiger, und sogar die
Städt schließen sich zu Bünden zusammen, damit sie nur ihre eigenen
Interessen besser vertreten können. Und deshalb bedrohen uns die
islamischen Türken, die nur deshalb noch nicht ins Reich eingefallen
sind, weil sie sich selbst gegen die Mongolen wehren müssen. |
Pfarrer: |
Eine schlimme Zeit!
Aber wir können nur dafür sorgen, dass unser kleiner Bereich, meine
Pfarrgemeinde und euere Vogtei, gut betreut wird. |
Vogt: |
Auch das wird immer
schwerer. Ihr habt ja selbst gehört, wie die Bauern zum Ungehorsam
aufgewiegelt werden. In Frankreich und England soll es gar schon
Bauernaufstände gegeben haben mit vielen Tausend Toten. |
Pfarrer: |
Damit braucht ihr in
Dollnstein nicht zu rechnen. Die Dollnsteiner sind friedliche Leut',
fromm wie Lämmer. |
Vogt: |
Weil sie meine harte
Hand fürchten. Aber es ist nicht mehr so leicht, den Zehnten und die
Abgaben einzutreiben; und von den Frondiensten drücken sie sich, wo
sie nur können. |
Pfarrer: |
Es ist nicht böser
Wille, sondern oft bittere Not, wenn sie nicht bezahlen. Wenn das
Vieh an Krankheiten eingeht, das Hochwasser das Heu verdirbt und der
Hagel das Korn vernichtet, dann können sie beim besten Willen nicht
bezahlen. |
Vogt: |
Aber danach fragt mein
Herr nicht. Ich muss es ausbaden, wenn die Vorratskammern in der
Burg leer bleiben. Wie soll ich's ihm erklären, dass jetzt im April
von vielen Bauern noch nicht mal die Fastnachtshühner abgeliefert
sind? Und die Lichtmesskerzen, die Schafwolle und das Leinen stehen
von vielen Bauern auch noch aus. |
Pfarrer: |
Ja, ich weiß. Auch mein
Lehenbauer, der Wittenbauer, ist ein säumiger Zahler. |
Vogt: |
Da kommt das Marktrecht,
das König Wenzel unserem Ort verliehen hat, gerade zur rechten Zeit.
Ich glaube, dass die Aussichten auf ertragreiche Zölle und
Standgebühren meinen Herrn milde stimmen werden. |
|
|
9. Szene: |
Von Hagenacker nähert
sich ein Amtsknecht des Vogts mit einem gefesselten Gefangenen. Bei
ihrem Anblick zieht sich der Pfarrer zurück. Im Laufe des Gesprächs
kommen noch andere Bauern dazu. |
Vogt: |
Was für einen Vogel hast
du denn da gefangen? |
Amtsknecht: |
Den Löffelmacherwig. Ich
habe ihn geschnappt, wie er mit seinem Bogen hinter einem Hasen
nachgejagt ist. |
Löffel-macherwig: |
Das war kein Bogen, sondern meine Geißl; damit habe ich einen Hasen
aus meinem Weizen vertreiben wollen. |
Vogt: |
Und wo ist die Geißl? |
Amtsknecht: |
Die hat er in eine Hecke
geschmissen, bevor ich ihn packen konnte. |
Löffel-macherwig: |
Nein, so war's nicht. Die ist mir ausgekommen, weil ich vor euerem
Jäger so erschrocken bin. Habe ich nicht das Recht, die Hasen aus
meinem Weizen zu treiben? |
Vogt: |
Nein, das hast du nicht.
Dir gehört der Acker nicht, der gehört dem Grundherrn; und der will
Hasen, Böcke und Sauen sehen, wenn er morgen eine Treibjagd halten
will. |
Löffel-macherwig: |
Und von was soll ich den Getreidezehnt zahlen, wenn die Hasen und
Rehen und Hirsche und Sauen meinen Weizen vernichten? |
Vogt: |
Danach frägt der Graf
nicht. Iss selber weniger! |
Löffel-macherwig: |
Ich könnt's, aber nicht
meine Kinder. Es reicht eh schon kaum für alle. |
Moier: |
Herr Vogt, mit den
Wildschäden ist es wirklich schlimm. Auch meine Grundherrin, die
Abtissin Hildegard vom Kloster Bergen, ist darüber sehr aufgebracht.
Sie sagt, sie will sich vom Freiherrn den Schaden ersetzen lassen. |
Vogt: |
Wollen darf sie, aber
kriegen wird sie keinen Heller.-
Und nun schafft den Wilddieb ins Burgverlies. Vielleicht fällt ihm
dort wieder ein, ob es nicht doch ein Bogen war. |
Amtsknecht: |
Los, weiter! |
|
|
10. Szene: |
In diesem Augenblick
fällt die Löffelmacherin vor dem Vogt auf die Knie. |
Löffelmacherin: |
Gnade, Herr Vogt, Gnade
für meinen Mann! Er ist unschuldig! Er hat noch nie einen Hasen
gefangen, das kann ich beschwören. |
Vogt: |
Der Amtsknecht spricht
gegen ihn. Ich kann nicht anders, auch wenn ich es möchte. |
Löffelmacherin: |
Dann habt Erbarmen mit
meinen sechs kleinen Kindern! Wer soll ihnen jetzt das Brot herbei
schaffen? |
Vogt: |
Dein Mann hätte vorher
daran denken sollen. |
|
|
11. Szene: |
Vogt, Amtsknecht und
Gefangener gehen zur Burg. Die Löffelmacherin läuft jammernd
hinterher. Bauern bleiben zurück. |
Moier: |
Hat er nun gewildert ,
der Wig? Was meinst du, Schorn? |
Schorn: |
Freilich hat er. Wie
soll er denn sonst seine sechs Kinder satt kriegen? Aber er wäre
verruckt, wenn er es zugeben würde. Die würden ihn glatt oben auf
dem Gänsbuck am Galgen baumeln lassen. An dem Galgen, den du
gezimmert hast, Stoischreiner. |
Stoischreiner: |
Gern hab ich ihn nicht
gemacht. Aber ein Auftrag ist ein Auftrag.
Aber für den Löffelmacherwig sehe ich schwarz. Mit der
Daumenschraube werden sie es morgen aus ihm rauspressen. |
Moier: |
Das muss verhindert
werden. |
Schorn: |
Ja, aber wie?
Schmiedpeter, kannst du uns weiterhelfen? |
Schmiedpeter: |
Wir holen ihn raus.
Heute Nacht ist ein guter Zeitpunkt. Alle werden sich um den
Freiherrn kümmern. Keiner wird Augen und Ohren für den Gefangenen
haben.
Ich hab's gemacht, das Gitter am Verlies; ich kann's auch knacken. |
Schorn: |
Aber dann, wohin mit
ihm? Hier bleiben kann er nicht. |
Moier: |
Der Saupark ist groß und
dunkel. Und dann muss er schauen, dass er in Donauwörth oder
Augsburg Unterschlupf findet. Die Städte sind nach den schlimmen
Pestjahren froh um jeden Handwerken und geben so leicht keinen mehr
heraus. |
Stoischreiner: |
Und später kann er Frau
und Kinder nachkommen lassen. |
Moier: |
Ja, so könnte es gehen.
Treffen wir uns um Mitternacht vor dem Burgtor. Bringt Leitern und
Stricke mit! Und du, Schmied, dein Werkzeug! |
Schorn: |
Und seid vorsichtig und
verplappert euch nicht bei euren Weibern! Die könnten's nicht bei
sich behalten. |
Schmiedpeter: |
Still, da kommt die
Vogtin. Kommt, verziehen wir uns! |
|
|
12. Szene: |
Die Bauern und
Handwerker zerstreuen sich.
Die Vogtin geleitet die Löffelmacherin ein Stück des Weges. |
Vogtin: |
Jetzt beruhige dich nur
wieder, Löffelmacherin! Es wird schon nicht so schlimm werden. |
Löffelmacherin: |
Schlimmer kann's gar
nicht mehr werden. Der Mann eingesperrt und ich mit sechs Kindern
allein. Am gescheitesten wäre es, wenn ich mit ihnen in die Altmühl
ginge. |
Vogtin: |
Jetzt versündige dich
nicht! Dann verlierst du nicht nur das Leben, sondern auch noch die
ewige Glückseligkeit. |
Löffelmacherin: |
Wisst Ihr, Frau Agnes,
einen anderen Ausweg? |
Vogtin: |
Da, nimm erst mal den
Beutel mit Münzen. Kauf was zu essen für dich und die Kinder. Wenn
man satt ist, schaut die Welt ganz anders aus. |
Löffelmacherin: |
Ich danke euch sehr,
Frau Agnes. Gott wird es euch vergelten. |
Vogtin: |
Wenn dein Mann
unschuldig ist, ist er morgen bestimmt wieder bei dir. |
Löffelmacherin: |
Wird man ihm auch
glauben? |
Vogtin: |
Ich denke schon, es gibt
ja keine Beweisstücke. |
Löffelmacherin: |
Ihr seid eine gute Frau.
Ich fühle mich wieder leichter. |
Vogtin: |
Dann schau, dass du heim
kommst, ehe die Kinder nach dir schreien! Gott zum Gruß!
Die Löffelmacherin
bedankt sich, indem sie der Vogtin die Hände küsst. |
Löffelmacherin: |
Ich danke euch sehr,
Frau Agnes. |
|
|
13. Szene: |
Die Löffelmacherin eilt
heim.
Aus dem Schatten eines Baumes tritt ein eleganter Ritter mit einer
Gitarre hervor. |
Gotthelf von Pappenheim: |
Ja, so habe ich euch, Frau Agnes, in Erinnerung: Schön wie eine Rose
und mildtätig wie die heilige Elisabeth von der Wartburg. |
Vogtin: |
Ihr seid es, Herr
Gotthelf von Pappenheim! Welch glücklicher Tag, den berühmten Sänger
Gotthelf auf der Burg von Dollnstein begrüßen zu dürfen! |
Gotthelf: |
Was redet Ihr da! Es ist
für mich eine große Ehre auf der Burg, in der der berühmte Wolfram
von Eschenbach zu Gast war, singen zu dürfen. |
Vogtin: |
Ihr kommt gerade zur
rechten Zeit. Freiherr friedrich von Heideck und seine Gemahlin
Beatrix haben für heute Abend ihr Kommen angesagt. |
Gotthelf: |
Ich weiß. Deshalb bin
ich ja hier. |
Vogtin: |
So stimmt es also:
Gräfin Beatrix ist eure große Minne. |
Gotthelf: |
Woher wisst Ihr das? |
Vogtin: |
Ich habe Augen und Ohren
im Kopf. Ihre Minne für Frau Beatrix war beim Turnier in Heideck im
letzten Jahr nicht zu übersehen. |
Gotthelf: |
Ja, sie ist die schönste
Frau unter Gottes Sonne.
Er intoniert auf der
Gitarre und singt:
Wohl mir der
Stund, da ich sie erkannte,
und ich sie mit lieben Namen benannte.
Dass ich von ihr nicht zu scheiden vermag,
das hat ihr Schönheit und Güte gemacht
und ihr roter Mund, der so lieblich lacht. |
Vogtin: |
Wie schön! Glückliche
Beatrix, ich beneide sie.
Nun ja, ein Dichter muss die Minne erleben, sonst kann er nicht von
ihr singen. Aber was sagt Graf Friedrich dazu? |
Gotthelf: |
Das ist ja mein Leid!
Meine Liebe muss unerfüllt bleiben. Nur in meinen Liedern ist
Beatrix mein. |
Vogtin: |
Aber gerade euer
Liebesschmerz lässt euere Lieder so zu Herzen gehen. -
Aber nun kommt in die Burg, esst und trinkt und ruht euch aus! Heute
Abend unterhaltet uns mit euren Liedern!
Beide gehen ab in die
Burg, Gotthelf auf der Gitarre spielend. |
|
|
14. Szene: |
Zwei Kaufleute begegnen
sich. Der eine, aus dem Ort kommend, mit einem Tragekorb hoch
bepackt, der andere mit leeren Händen. |
Jakob Ziller: |
He, Veit, du bist schon
zurück von deiner Handelsfahrt? Aber hast du denn keine Waren
mitgebracht? Und was ist mit deinem Muli geschehen? |
Veit Zellner: |
Kannst dir's denken,
Jakob, was geschehen ist. Nicht mal bis Weißenburg bin ich gekommen.
Gleich hinter Rothenstein bin ich von Straßendieben überfallen
worden. Sie haben mich ausgeplündert - bis aufs Hemd. Ich konnte
froh sein, dass ich mit dem Leben davongekommen bin. |
Jakob: |
Und hat dir niemand
Beistand geleistet? |
Veit: |
Ja, gehofft habe ich
einen Augenblick lang, als ein Ritter hoch zu Ross aufgetaucht ist.
Ich habe um Hilfe geschrieen, aber der Ritter hat nur dreckig
gelacht, mich einen Pfeffersack genannt. Da wusste ich, dass ich
einem Raubritter und seinen Gesellen in die Hände gefallen war. |
Jakob: |
Darf denn das sein? Weit
haben's wir gebracht. Der König sorgt nicht für Ordnung im Reich. |
Veit: |
Ich möchte nur wissen,
wozu wir Wegzölle zahlen, wenn wir auf den Wegen nicht sicher sind.
Ja, die rauben uns aus, die uns beschützen sollen. |
Jakob: |
Ich trau mich gar nicht
mehr erst hinaus. Wenn ich meine Waren verliere, ist der Lohn für
ein Jahr harte Arbeit beim Teufel. |
Veit: |
Das rate ich dir auch
nicht. Wir Kaufleute müssten uns zusammentun und Landsknechte zu
unserem Schutz anstellen. |
Jakob: |
Aber wer soll das
bezahlen? Das können sich nur die reichen Nürnberger oder Augsburger
Kaufleute leisten. |
Veit: |
Du hast recht. Gut für
uns Kaufleute aus Dollnstein wäre es, wenn wir auch in Dollnstein
Markttag hätten. |
Jakob: |
Dann bräuchten nicht wir
zu den Kunden gehen, sondern die Kunden kämen zu uns. Vor der
eigenen Haustür hätten wir Gelegenheit, unsere Waren zu verkaufen,
auch neue einzukaufen. |
Veit: |
Und am besten wäre es
für den Grundherrn, denn der könnte Zölle und Abgaben kassieren.
Freilich müsste er für Ordnung sorgen und uns beschützen. Mit einem
Schutzbrief des Königs in Händen würden es die Ritter auf ihren
Burgen nicht so leicht wagen, uns zu überfallen. |
Jakob: |
Darum gebeten haben wir
beim Grafen schon öfters. Aber er sagt, er hätte nie Gelegenheit,
vom König den Schutzbrief zu erbitten. |
Veit: |
Ich habe gehört, König
Wenzel soll sich über Ostern in Nürnberg aufgehalten haben. Da wäre
doch die Gelegenheit dazu gewesen. |
Jakob: |
Ich glaub's nicht recht;
schon zu lange haben wir darauf gewartet - obwohl, Freiherr
Friedrich hat für heute Abend seinen Besuch in Dollnstein angesagt.
Der Vogt hat recht geheimnisvoll getan. |
Veit: |
Ich habe das Gefühl, als
ob's diesmal was wird mit dem Marktrecht. - Jetzt eilt es mir doch
noch, denn am Abend will ich beim Empfang des Freiherrn dabei sein. |
Jakob: |
Und ich verschieb besser
meine Reise, damit ich nichts versäume.
Beide gehen zurück nach
Dollnstein. |
|
|
15. Szene: |
Von der Burg ertönt ein
Hornsignal. Burgbewohner und Dorfbewohner stellen sich zum Empfang
Friedrichs von Heideck und seines Gefolges auf. Musikanten sind
dabei. |
Vogt: |
Ich wünsche, dass alle
den Herrn Friedrich und seine Gemahlin Beatrix ehrerbietig
empfangen. Die Männer verneigen sich, und die Weiber machen einen
artigen Knicks. Und dass mir keiner ausspuckt, rülpst oder furzt!
Herr Friedrich ist ein feiner Herr.
Und ich habe scharfe Augen und Ohren. |
Bürgermeister: |
Wir wissen, wie wir den
Herrn Friedrich zu empfangen haben. Da braucht Ihr Euch keine Sorgen
zu machen.
Ein Junge kommt atemlos angelaufen. |
Junge: |
Sie kommen! Wunderschön
ist die Frau Beatrix. |
|
Die edlen Herrschaften
kommen auf den Platz geritten.
Die Musik setzt ein.
Der Vogt und die Vogtin gehen ihnen entgegen und verneigen sich. |
Bürgermeister: |
Lang lebe Freiherr
Friedrich von Heideck! |
Alle: |
Lang lebe Freiherr
Friedrich! |
Bürgermeister: |
Lang lebe seine Gemahlin
Beatrix! |
Alle: |
Lang lebe Frau Beatrix! |
Freiherr
Friedrich: |
Ich danke euch für den herzlichen Empfang.
Nicht mehr selbstverständlich ist es, dass der Grundherr mit
Wohlwollen empfangen wird. |
Beatrix: |
Auch ich danke euch. Ihr
habt uns eine große Freude bereitet. |
Vogt: |
Nicht immer sind sie so
untertänig. Ich habe auch manchen Ärger mit säumigen Zahlern und
faulen Fronarbeitern. |
Friedrich: |
Heute will ich nichts
hören von euren Sorgen. Eine gute Botschaft ist es, die ich euch
allen zu verkünden habe. König Wenzel hat mir das Recht verliehen,
in Dollnstein Markt abzuhalten. |
Alle: |
Hoch lebe der König!
Hoch lebe König Wenzel! Er lebe hoch! |
Friedrich: |
Hier ist die Urkunde.
Mein Sekretär wird euch daraus vorlesen.
Er übergibt die Urkunde
an den Sekretär. Dieser liest die verständlich gemachte Urkunde vor.
Danach brechen alle in Jubel aus, umarmen sich und tanzen herum. |
Friedrich: |
Ich sehe, dass ihr
wisst, was das bedeutet. Es ist für alle ein kleiner Schritt zu
einem besseren Leben. Die Bäuerinnen müssen nicht jedes Ei und jede
Henne auf den Markt nach Eichstätt schaffen. Unsere Handwerker
können ihre Waren praktisch vor der Haustür verkaufen. Der König
gewährt uns seinen besonderen Schutz. |
Beatrix: |
Kaufleute bis aus
Nürnberg und Augsburg werden ihre Waren nach Dollnstein bringen:
Gewürze aus Indien, Teppiche aus Persien, Schmuck aus Venedig,
Stoffe aus Augsburg, Werkzeuge aus Nürnberg. |
Ein Wirt: |
Und die vielen Leute
wollen essen und trinken. Und sie müssen übernachten und die Pferde
einstellen.
Herr Friedrich, ich muss anbauen! |
Friedrich: |
Tu das! Es ist
notwendig. Dollnstein wird wachsen. Schon bald werde ich den Ort mit
einer festen Mauer umgeben.
Ja, und für die Markttage braucht der Vogt einen tüchtigen Gehilfen,
der sich um alles kümmert, für Ordnung sorgt, die Gewichte
überwacht, Gebühren erhebt. Herr Pfarrer, wisst Ihr mir einen jungen
Mann, der etwas lesen, schreiben und rechnen kann und auch sonst ein
heller Kopf ist? |
Pfarrer: |
Hm. Ja, doch, da gibt es
einen. Es ist der Jüngste vom Kipferler, der Franz. Er hat mir beim
Ministrieren fleißig über die Schulter geschaut und so lesen und
schreiben gelernt. |
Friedrich: |
Franz, dann komm mal
vor! |
Franz: |
Zu Diensten, Herr
Friedrich! |
Friedrich: |
Möchtest du mein
Marktaufseher werden? |
Franz: |
Nichts lieber als das!
Juhu, Resl, jetzt kann dein Vater aber nichts mehr gegen unsere
Heirat haben. |
Moier: |
Wie könnte ich mich dem
Glück meiner Tochter entgegenstellen? - Eine Amtsperson als
Schwiegersohn ist auch nicht zu verachten. |
Beatrix: |
Friedrich, du bist
wunderbar! Jetzt hast du auch noch eine Ehe gestiftet. |
Friedrich: |
Ja, das scheint ein
Glückstag zu sein, auch für dich, Beatrix. Sieh mal, wer da drüben
steht! |
Beatrix: |
Gotthelf von Pappenheim!
Der große Sänger!
Der Sänger kommt näher. |
Gotthelf: |
Die Sonne geht auf! Seid
gegrüßt, meine Herrin!
Er fällt vor ihr nieder
und küsst ihr die Hand. |
Beatrix: |
Steht auf, steht auf!
Nicht mir gebührt Ehre, sondern euch. Ich bin nur ein Weib. Ihr aber
seid ein Sänger, dessen Lieder unsterblich sind. |
Gotthelf: |
Ihr, meine Herrin, tut
mir zu viel der Ehre an. Ich bin glücklich, in eurer Nähe zu sein. |
Beatrix: |
Dann bleibt recht lange
auf der Burg! Unterhaltet uns mit Euren Liedern!
Ihr habt recht, Friedrich, das ist ein Glückstag.
Die Löffelmacherin
drängt sich vor. |
Löffelmacherin: |
Ein Glückstag - nicht
für mich. Alle freuen sich, aber mein Mann sitzt unschuldig im Loch! |
Vogt: |
Ich habe ihn heute
Nachmittag eingesperrt. Er wurde beim Wildern ertappt, leugnet aber. |
Friedrich: |
Du hast recht, gute
Frau. Aber auch dir kann geholfen werden.
Herr Vogt, lasst ihren Mann frei! Das Glück soll heute vollkommen
sein. |
Löffelmacherin: |
Ich danke Euch, mein
Herr! |
Friedrich: |
Aber nun tanzt und singt
und seid fröhlich!
Herr Vogt, lasst Bänke und Tische im Burghof aufstellen und holt Met
und Bier aus dem Keller!
An diesen Tag soll man
sich noch in 600 Jahren erinnern! |
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Frauen und Mädchen
stellen sich zu einem Tanz auf, die Musik setzt ein, Frauen tanzen
einen Reigen.
Im Anschluss daran stellen sich alle Schauspieler auf, um den
Beifall entgegen zu nehmen. |