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"Das Marktrecht zu Dollnstein"

Theaterstück  von F. X. Regler

 

Zeit des Spiels: April des Jahres 1387
Ort des Spiels:  Dollnstein, vor dem Tor der Ortsumfriedung
                            unterhalb der Burg

1. Szene: 3 Mägde kommen aus der Burg, tragen Körbe mit Wäsche, die sie in der Altmühl waschen wollen
Resl: Langsam, langsam, warum rennst denn so, Marie?
Marie: Du hast recht, Resl. Komm, Eva, setzen wir und ein bisschen.
  Alle drei setzen sich auf einen neben dem Weg liegenden Baumstamm.
Eva: Habt ihr heute Nacht auch den Grafen Iwan und seine Söhne geistern gehört? Nur so rumort und gegrölt und gestritten haben sie im Rittersaal.
Marie: Ja, ich habe sie auch gehört. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt unter meiner Decke.
Resl: Geht weiter! Glaubt doch die alten Spukgeschichten nicht! Das war unser Vogt, der mit seinen Gästen zu viel Met getrunken hat. Und beim Würfelspiel sind sie sich in die Haare geraten.
Marie: Aha! Deshalb habe ich heute früh schon Eis für einen Eisbeutel aus dem Keller holen müssen. Und die Vogtin läuft schon den ganzen Morgen mit einem grantigen Gesicht rum und macht Krach wegen jeder Kleinigkeit.
Resl: Dafür gibt's schon einen andern Grund. Wisst ihr denn nicht, dass heute Abend der Burgherr, Freiherr Friedrich von Heideck, zu Besuch kommt? Schon in aller Frühe hat ein Bote die Nachricht gebracht. So hohe Gäste machen nur Arbeit und fressen die Vorratskammern leer.
Eva: Aha!, Deshalb müssen wir die vielen Tischtücher und Betttücher waschen! Aber was will denn der Graf in Dollnstein?
Marie: Hast nicht ein bisschen gehorcht?
Resl: Gehorcht habe ich schon, aber ich hab's nicht so recht verstanden. Vom König Wenzel war die Rede und von einem Gunstbeweis.
Eva: Was hat denn das zu bedeuten?
Marie: Vielleicht kommt gar der König zu Besuch? Ich möchte bloß wissen, ob auch der König ein Holzscheit die steile Burgtreppe hinauftragen würde.
Resl: Warum nicht? Das muss jeder Besucher der Burg. Das ist ein ganz alter Brauch. Aber ich glaube nicht, dass König Wenzel nach Dollnstein kommt.
Eva: Kommt, schicken wir uns lieber! Sonst wird die Vogtin noch richtig grantig, wenn sie alle Vorbereitungen selbst treffen muss.
   
2. Szene: Die Mädchen nehmen die Körbe auf und gehen weiter. Ihnen entgegen kommt ein Bauernbursche mit einer Hacke auf der Schulter.
Marie: Schau, Resl, da kommt dein Franz!
Resl:  Geht derweil zu. Wir haben noch was zu besprechen.
Eva: Aber lasst euch nicht von deinem Vater sehen! Der reiche Moierbauer sieht's nicht so gern, wenn seine Resl mit dem Jüngsten vom Kipferler geht.
Resl: Kümmere du dich nur um deine Sache!
  Eva und Marie gehen kichernd weiter. Franz und Resl umarmen und küssen sich.
Resl:  Musst du nicht draußen auf dem Feld arbeiten? Wenn dich dein Bauer sieht, gibt's Ärger.
Franz: Ja schon, aber ich hab halt so Sehnsucht nach dir gehabt. Ich hab dich sehen müssen. Sag, Resl, wann können wir beim Vogt um die Heiratserlaubnis bitten?
Resl: Mein Vater sagt, das hätte gar keinen Zweck. Er sagt, du bist nichts und du hast nichts. Nur wer eine Familie ernähren kann, darf heiraten. Er sagt, ich soll einen Handwerksmeister oder Kaufmann heiraten, da hätte ich es einmal besser.
Franz: Ich bleib nicht immer Bauernknecht. Ich hab gehört, der Bischof von Eichstätt sucht Söldner. Mancher Landsknecht ist schon zu Reichtum gekommen und hat sich dann eine eigene Sach' richten können.
Resl: Ja, durch Morden und Rauben! Wenn du das tust, will ich dich gar nimmer sehen. Lieber gehe ich ins Kloster nach Marienstein, als die Frau von einem Landsknecht zu werden.
Franz: Geh, Resl, sei wieder gut! Vielleicht findet sich noch was anderes. Könnte sein, dass ein Bauer seinen Zehnten nicht mehr zahlen kann, dann wird ein Hof für uns frei.
Resl: Und warum soll der Vogt dann gerade dich belehnen?
Aber heute Abend kommt Freiherr Friedrich von Heideck nach Dollnstein. Vielleicht kann der uns helfen. Du kannst doch ein bisschen lesen und schreiben und hast einen klugen Kopf.
Franz: Schön wär's! Ich versuch's mal und sprich ihn an.
Resl: Mach dir nicht zu viel Sorgen! Die Hauptsache ist, dass wir uns gern haben.
Sie singt: Ich bin din,
               du bist min,
               du bist beschlossen in meinem Herzen,
               verloren ist das Schlüsselin,
               du musst immer drinnen sin.
   
3. Szene: Aus Richtung Hagenacker vom Feld her kommt ein Bauer gelaufen. Er gestikuliert und macht einen aufgebrachten Eindruck.
Resl: Schau, da kommt dein Vater!
Franz: Was ist der denn so aufgebracht?
Kipferler: Ihr, Dirn, schaut, dass ihr hier verschwindet! Die Geißler kommen!
Das ist kein Anblick für euch. Ich hole den Herrn Pfarrer. Franz, sag du in der Burg Bescheid!
  Franz und Kipferler ab. Die Mädchen packen ihre Körbe und ziehen sich ängstlich zurück.
Aus Richtung Hagenacker hört man Singen.

Lied im Gotteslob Nr. 163

Aus tiefer Not schrei ich zu dir,
Herr Gott erhör mein Rufen;
dein gnädig Ohr neig her zu mir
und meiner Bitt es öffne.
Denn so du willst das sehen an,
was Sünd und Unrecht ist getan,
wer kann, Herr, vor dir bleiben.

Es steht bei deiner Macht allein,
die Sünde zu vergeben,
auf dass dich fürchte groß und klein,
du einzig Heil und Leben.
Darum auf Gott will hoffen ich,
auf ihn will ich verlassen mich
und seinem Wort vertrauen.

   
4. Szene:  
Eva: Was hat der Kipferler gesagt? Die Geißler kommen?
Resl: Ja, die Geißler. Die ziehen von Stadt zu Stadt, geißeln sich und rufen die Menschen zur Buße auf, damit die Pest nicht wieder kommt.
Marie: Dann sind das ja gar keine bösen Menschen, vor denen wir Angst haben müssten.
Resl: Böse nicht, aber gefährlich! Der Papst hat sie aus der Kirche ausgeschlossen, aber die kümmert das gar nicht.
  Die Mädchen bekreuzigen sich.
   
5. Szene: Ein Zug Geißler in schwarzen Umhängen mit weißem Kreuz nähert sich singend. Die Mädchen weichen in eine Ecke zurück. Pfarrer und Kipferler stellen sich ihnen entgegen. Sie werden begleitet von Männern, Frauen und Kindern.
Pfarrer: Halt! Keinen Schritt weiter! In meiner Pfarrei will ich euch nicht haben.
1. Geißler: Hochwürdiger Vater, wir wollen in eurer Kirche nur die schönen Chorgemälde ansehen und beten und Buße tun. Das kann doch nicht verboten sein!
Pfarrer: Ja, das kenne ich schon, vor dem Altar beten und hinter dem Altar Unzucht treiben! Und wenn ihr weg seid, fehlen Kerzen, Opferstock und Messkelch.
2. Geißler: Ein bisschen weniger Geld und weniger Prunk kann der Kirche nicht schaden. Ihr Priester richtet euch auf der Erde schon das Paradies ein. Und woher kommt euer Reichtum? Dem Volk habt ihr's weggenommen.
Pfarrer: Die Kirche nimmt nur, was man ihr freiwillig gibt.
Aber nun schert euch weiter!
1. Geißler: Ihr wollt uns nicht in die Kirche lassen? Aber einen anderen könnt ihr nicht aufhalten, den Schwarzen Tod. Er ist die Strafe für unbußfertige Sünder.
Pfarrer: Ihr seid es doch gerade, die die Pest von Ort zu Ort tragen. Deshalb hat euch auch der Papst exkommuniziert.
2. Geißler: Welchen Papst meint ihr denn? Urban VI. in Rom oder Clemens VII. in Avignon? Die beiden Päpste haben sich gegenseitig exkommuniziert, also haben wir eigentlich gar keinen Papst.
3. Geißler: Und wir brauchen auch keinen Papst! Und keine unwürdigen Bischöfe und Priester, die sich ihr Amt gekauft haben.
Hochwürden, wieviel habt ihr dem Grafen von Heideck bezahlt, dass er euch zum Pfarrer von Dollnstien gemacht hat?
Pfarrer: Genug gestritten! Zieht weiter! Ich werde es nicht zulassen, dass ihr wie Wölfe über meine Schäflein herfallt.
2. Geißler: Ja, ja, dass ihr und der Freiherr sie umso besser scheren könnt.
Ihr Bauern und Handwerken hört auf mich! Schüttelt ab das geistliche und weltliche Joch! Durch welches Recht sind die, die ihr Herren nennt, besser als ihr?
Wenn wir alle von den gleichen Ureltern, Adam und Eva, abstammen, wie können sie dann behaupten oder beweisen, dass sie besser sind als ihr? Außer dadurch, dass sie Gewinn aus eurer Arbeit ziehen, den sie in ihrem Hochmut verschwenden.
  Geißler singen:

Als Adam grub und Eva spann
wer war denn da der Edelmann?
Spieß voran, drauf und dran
setzt aufs Klosterdach den roten Hahn.

   
6. Szene: Währendessen ist der Vogt Seyfried von Dollnstein mit einigen Bütteln aufgetaucht.
Vogt: Was singt ihr da? Ihr werdet mir meine Bauern nicht aufwiegeln! Schert euch fort oder ich lasse euch ins Burgverlies werfen!

Die Büttel gehen auf die Geißler zu. Diese weichen zurück und lenken ein.

1. Geißler: So war's nicht gemeint. Wir sind nur aufgebracht, weil uns der Herr Pfarrer das Beten in der Kirche verweigert.
Vogt: Und auch ich tue das. Noch heute Abend erwarten wir den Burgherrn, den edlen Friedrich von Heideck, mit Gefolge. Da passt ihr nicht dazu. Ich werde euch Geld für die Wegzehrung geben, wenn ihr friedlich weiterzieht.
  Er zeigt einen gefüllten Beutel.

Die Geißler beraten sich kurz.

1. Geißler: Wenn die Wegzehrung nicht zu knapp ausfällt, sind wir zum Weiterziehen bereit.
  Der Vogt wirft ihm das Geld zu.
1. Geißler: Auch so kann man Buße tun. Gott segne euch und halte die Pest von euch fern!
  Die Geißler formieren sich. Einige entblößen den Oberkörper und geißeln sich. Singend ziehen sie ab. Das Volk zeigt ihnen seine Sympathie.

Geißler singen:

Nun hebt auf eure Hände,
dass Gott das große Sterben wende,
nun hebet auf eure Arme,
dass Gott sich über uns erbarme.
Jesus, durch deine Namen drei
mach, Herre, uns von Sünden frei!
Jesus, durch deine Wunden rot
behüt uns vor jähem Tod!

7. Szene:  
Vogt: He, was steht ihr noch rum und glotzt! Ab, an die Arbeit! Aber kommt am Abend vor die Burg, um unsern Herrn zu empfangen! Er bringt eine gute Botschaft. Büttel, hol mir den Bürgermeister in die Burg!
  Der Moier hat seine Resl beim Franz stehen sehen und fährt jetzt dazwischen.
Moier: Zum Donnerwetter! Hab ich dir nicht verboten, dich mit dem Halodri zu treffen? So was hat's doch maleta noch nicht gegeben, dass eine Tochter nicht tut, was ihr Vater will.
Resl: Wir haben uns doch gern. Einen andern mag ich nicht, und wenn er ein Graf wäre.
Moier: Nichts wie Flausen im Kopf!
Wen du gern haben darfst, das weiß ich besser. Los, geh an die Arbeit! Die Vogtin braucht dich notwendig.
Vogt: Da seht ihr's! Nichts wie Aufsässigkeit! Schon bei den Mägden!
   
8. Szene: Alle, bis auf Vogt und Pfarrer, gehen ab.
Pfarrer: Ich danke euch, Herr Seyfried! Wer weiß, was ohne eure Hilfe geschehen wäre?
Vogt: Das habe ich auch für mich getan.
Nicht auszudenken, wenn heute Abend Geißler Unruhe stiften würden. Mein Herr würde mich mit Schimpf und Schande davon jagen.
Pfarrer: Und auch ich müsste mich um eine andere Pfarrei umschauen.
Die Geißler haben ja Recht mit ihrer Kritik an den Zuständen in der Kirche. Die zwei Päpste in Rom und Avignon sind ein großes Ärgernis. Die Kirche muss wirklich unter dem Schutz Christi stehen, sonst wäre sie bei so schlechten Päpsten und Kardinälen schon längst zusammengebrochen. Ich bete jeden Tag um eine Verbesserung der Verhältnisse.
Vogt: Dann schließt nur gleich den König in euer Gebet ein! König Wenzel kümmert sich nur um sein Königreich Böhmen, das deutsche Reich aber ist ihm gleichgültig. Viel lieber geht er auf die Jagd als auf Reichsvisite. Deshalb werden die Fürsten immer mächtiger und unabhängiger, und sogar die Städt schließen sich zu Bünden zusammen, damit sie nur ihre eigenen Interessen besser vertreten können. Und deshalb bedrohen uns die islamischen Türken, die nur deshalb noch nicht ins Reich eingefallen sind, weil sie sich selbst gegen die Mongolen wehren müssen.
Pfarrer: Eine schlimme Zeit!
Aber wir können nur dafür sorgen, dass unser kleiner Bereich, meine Pfarrgemeinde und euere Vogtei, gut betreut wird.
Vogt: Auch das wird immer schwerer. Ihr habt ja selbst gehört, wie die Bauern zum Ungehorsam aufgewiegelt werden. In Frankreich und England soll es gar schon Bauernaufstände gegeben haben mit vielen Tausend Toten.
Pfarrer: Damit braucht ihr in Dollnstein nicht zu rechnen. Die Dollnsteiner sind friedliche Leut', fromm wie Lämmer.
Vogt: Weil sie meine harte Hand fürchten. Aber es ist nicht mehr so leicht, den Zehnten und die Abgaben einzutreiben; und von den Frondiensten drücken sie sich, wo sie nur können.
Pfarrer: Es ist nicht böser Wille, sondern oft bittere Not, wenn sie nicht bezahlen. Wenn das Vieh an Krankheiten eingeht, das Hochwasser das Heu verdirbt und der Hagel das Korn vernichtet, dann können sie beim besten Willen nicht bezahlen.
Vogt: Aber danach fragt mein Herr nicht. Ich muss es ausbaden, wenn die Vorratskammern in der Burg leer bleiben. Wie soll ich's ihm erklären, dass jetzt im April von vielen Bauern noch nicht mal die Fastnachtshühner abgeliefert sind? Und die Lichtmesskerzen, die Schafwolle und das Leinen stehen von vielen Bauern auch noch aus.
Pfarrer: Ja, ich weiß. Auch mein Lehenbauer, der Wittenbauer, ist ein säumiger Zahler.
Vogt: Da kommt das Marktrecht, das König Wenzel unserem Ort verliehen hat, gerade zur rechten Zeit. Ich glaube, dass die Aussichten auf ertragreiche Zölle und Standgebühren meinen Herrn milde stimmen werden.
   
9. Szene: Von Hagenacker nähert sich ein Amtsknecht des Vogts mit einem gefesselten Gefangenen. Bei ihrem Anblick zieht sich der Pfarrer zurück. Im Laufe des Gesprächs kommen noch andere Bauern dazu.
Vogt: Was für einen Vogel hast du denn da gefangen?
Amtsknecht: Den Löffelmacherwig. Ich habe ihn geschnappt, wie er mit seinem Bogen hinter einem Hasen nachgejagt ist.
Löffel-macherwig:
Das war kein Bogen, sondern meine Geißl; damit habe ich einen Hasen aus meinem Weizen vertreiben wollen.
Vogt: Und wo ist die Geißl?
Amtsknecht: Die hat er in eine Hecke geschmissen, bevor ich ihn packen konnte.
Löffel-macherwig:
Nein, so war's nicht. Die ist mir ausgekommen, weil ich vor euerem Jäger so erschrocken bin. Habe ich nicht das Recht, die Hasen aus meinem Weizen zu treiben?
Vogt: Nein, das hast du nicht. Dir gehört der Acker nicht, der gehört dem Grundherrn; und der will Hasen, Böcke und Sauen sehen, wenn er morgen eine Treibjagd halten will.
Löffel-macherwig:
Und von was soll ich den Getreidezehnt zahlen, wenn die Hasen und Rehen und Hirsche und Sauen meinen Weizen vernichten?
Vogt: Danach frägt der Graf nicht. Iss selber weniger!
Löffel-macherwig: Ich könnt's, aber nicht meine Kinder. Es reicht eh schon kaum für alle.
Moier: Herr Vogt, mit den Wildschäden ist es wirklich schlimm. Auch meine Grundherrin, die Abtissin Hildegard vom Kloster Bergen, ist darüber sehr aufgebracht. Sie sagt, sie will sich vom Freiherrn den Schaden ersetzen lassen.
Vogt: Wollen darf sie, aber kriegen wird sie keinen Heller.-
Und nun schafft den Wilddieb ins Burgverlies. Vielleicht fällt ihm dort wieder ein, ob es nicht doch ein Bogen war.
Amtsknecht: Los, weiter!
   
10. Szene: In diesem Augenblick fällt die Löffelmacherin vor dem Vogt auf die Knie.
Löffelmacherin: Gnade, Herr Vogt, Gnade für meinen Mann! Er ist unschuldig! Er hat noch nie einen Hasen gefangen, das kann ich beschwören.
Vogt: Der Amtsknecht spricht gegen ihn. Ich kann nicht anders, auch wenn ich es möchte.
Löffelmacherin: Dann habt Erbarmen mit meinen sechs kleinen Kindern! Wer soll ihnen jetzt das Brot herbei schaffen?
Vogt: Dein Mann hätte vorher daran denken sollen.
   
11. Szene: Vogt, Amtsknecht und Gefangener gehen zur Burg. Die Löffelmacherin läuft jammernd hinterher. Bauern bleiben zurück.
Moier: Hat er nun gewildert , der Wig? Was meinst du, Schorn?
Schorn: Freilich hat er. Wie soll er denn sonst seine sechs Kinder satt kriegen? Aber er wäre verruckt, wenn er es zugeben würde. Die würden ihn glatt oben auf dem Gänsbuck am Galgen baumeln lassen. An dem Galgen, den du gezimmert hast, Stoischreiner.
Stoischreiner: Gern hab ich ihn nicht gemacht. Aber ein Auftrag ist ein Auftrag.
Aber für den Löffelmacherwig sehe ich schwarz. Mit der Daumenschraube werden sie es morgen aus ihm rauspressen.
Moier: Das muss verhindert werden.
Schorn: Ja, aber wie? Schmiedpeter, kannst du uns weiterhelfen?
Schmiedpeter: Wir holen ihn raus. Heute Nacht ist ein guter Zeitpunkt. Alle werden sich um den Freiherrn kümmern. Keiner wird Augen und Ohren für den Gefangenen haben.
Ich hab's gemacht, das Gitter am Verlies; ich kann's auch knacken.
Schorn: Aber dann, wohin mit ihm? Hier bleiben kann er nicht.
Moier: Der Saupark ist groß und dunkel. Und dann muss er schauen, dass er in Donauwörth oder Augsburg Unterschlupf findet. Die Städte sind nach den schlimmen Pestjahren froh um jeden Handwerken und geben so leicht keinen mehr heraus.
Stoischreiner: Und später kann er Frau und Kinder nachkommen lassen.
Moier: Ja, so könnte es gehen. Treffen wir uns um Mitternacht vor dem Burgtor. Bringt Leitern und Stricke mit! Und du, Schmied, dein Werkzeug!
Schorn: Und seid vorsichtig und verplappert euch nicht bei euren Weibern! Die könnten's nicht bei sich behalten.
Schmiedpeter: Still, da kommt die Vogtin. Kommt, verziehen wir uns!
   
12. Szene: Die Bauern und Handwerker zerstreuen sich.
Die Vogtin geleitet die Löffelmacherin ein Stück des Weges.
Vogtin: Jetzt beruhige dich nur wieder, Löffelmacherin! Es wird schon nicht so schlimm werden.
Löffelmacherin: Schlimmer kann's gar nicht mehr werden. Der Mann eingesperrt und ich mit sechs Kindern allein. Am gescheitesten wäre es, wenn ich mit ihnen in die Altmühl ginge.
Vogtin: Jetzt versündige dich nicht! Dann verlierst du nicht nur das Leben, sondern auch noch die ewige Glückseligkeit.
Löffelmacherin: Wisst Ihr, Frau Agnes, einen anderen Ausweg?
Vogtin: Da, nimm erst mal den Beutel mit Münzen. Kauf was zu essen für dich und die Kinder. Wenn man satt ist, schaut die Welt ganz anders aus.
Löffelmacherin: Ich danke euch sehr, Frau Agnes. Gott wird es euch vergelten.
Vogtin: Wenn dein Mann unschuldig ist, ist er morgen bestimmt wieder bei dir.
Löffelmacherin: Wird man ihm auch glauben?
Vogtin: Ich denke schon, es gibt ja keine Beweisstücke.
Löffelmacherin: Ihr seid eine gute Frau. Ich fühle mich wieder leichter.
Vogtin: Dann schau, dass du heim kommst, ehe die Kinder nach dir schreien! Gott zum Gruß!

Die Löffelmacherin bedankt sich, indem sie der Vogtin die Hände küsst.

Löffelmacherin: Ich danke euch sehr, Frau Agnes.
   
13. Szene: Die Löffelmacherin eilt heim.
Aus dem Schatten eines Baumes tritt ein eleganter Ritter mit einer Gitarre hervor.
Gotthelf von Pappenheim:
Ja, so habe ich euch, Frau Agnes, in Erinnerung: Schön wie eine Rose und mildtätig wie die heilige Elisabeth von der Wartburg.
Vogtin: Ihr seid es, Herr Gotthelf von Pappenheim! Welch glücklicher Tag, den berühmten Sänger Gotthelf auf der Burg von Dollnstein begrüßen zu dürfen!
Gotthelf: Was redet Ihr da! Es ist für mich eine große Ehre auf der Burg, in der der berühmte Wolfram von Eschenbach zu Gast war, singen zu dürfen.
Vogtin: Ihr kommt gerade zur rechten Zeit. Freiherr friedrich von Heideck und seine Gemahlin Beatrix haben für heute Abend ihr Kommen angesagt.
Gotthelf: Ich weiß. Deshalb bin ich ja hier.
Vogtin: So stimmt es also: Gräfin Beatrix ist eure große Minne.
Gotthelf: Woher wisst Ihr das?
Vogtin: Ich habe Augen und Ohren im Kopf. Ihre Minne für Frau Beatrix war beim Turnier in Heideck im letzten Jahr nicht zu übersehen.
Gotthelf: Ja, sie ist die schönste Frau unter Gottes Sonne.

Er intoniert auf der Gitarre und singt:

Wohl mir der Stund, da ich sie erkannte,
und ich sie mit lieben Namen benannte.
Dass ich von ihr nicht zu scheiden vermag,
das hat ihr Schönheit und Güte gemacht
und ihr roter Mund, der so lieblich lacht.

Vogtin: Wie schön! Glückliche Beatrix, ich beneide sie.
Nun ja, ein Dichter muss die Minne erleben, sonst kann er nicht von ihr singen. Aber was sagt Graf Friedrich dazu?
Gotthelf: Das ist ja mein Leid! Meine Liebe muss unerfüllt bleiben. Nur in meinen Liedern ist Beatrix mein.
Vogtin: Aber gerade euer Liebesschmerz lässt euere Lieder so zu Herzen gehen. -
Aber nun kommt in die Burg, esst und trinkt und ruht euch aus! Heute Abend unterhaltet  uns mit euren Liedern!

Beide gehen ab in die Burg, Gotthelf auf der Gitarre spielend.

   
14. Szene: Zwei Kaufleute begegnen sich. Der eine, aus dem Ort kommend, mit einem Tragekorb hoch bepackt, der andere mit leeren Händen.
Jakob Ziller: He, Veit, du bist schon zurück von deiner Handelsfahrt? Aber hast du denn keine Waren mitgebracht? Und was ist mit deinem Muli geschehen?
Veit Zellner: Kannst dir's denken, Jakob, was geschehen ist. Nicht mal bis Weißenburg bin ich gekommen. Gleich hinter Rothenstein bin ich von Straßendieben überfallen worden. Sie haben mich ausgeplündert - bis aufs Hemd. Ich konnte froh sein, dass ich mit dem Leben davongekommen bin.
Jakob: Und hat dir niemand Beistand geleistet?
Veit: Ja, gehofft habe ich einen Augenblick lang, als ein Ritter hoch zu Ross aufgetaucht ist. Ich habe um Hilfe geschrieen, aber der Ritter hat nur dreckig gelacht, mich einen Pfeffersack genannt. Da wusste ich, dass ich einem Raubritter und seinen Gesellen in die Hände gefallen war.
Jakob: Darf denn das sein? Weit haben's wir gebracht. Der König sorgt nicht für Ordnung im Reich.
Veit: Ich möchte nur wissen, wozu wir Wegzölle zahlen, wenn wir auf den Wegen nicht sicher sind. Ja, die rauben uns aus, die uns beschützen sollen.
Jakob: Ich trau mich gar nicht mehr erst hinaus. Wenn ich meine Waren verliere, ist der Lohn für ein Jahr harte Arbeit beim Teufel.
Veit: Das rate ich dir auch nicht. Wir Kaufleute müssten uns zusammentun und Landsknechte zu unserem Schutz anstellen.
Jakob: Aber wer soll das bezahlen? Das können sich nur die reichen Nürnberger oder Augsburger Kaufleute leisten.
Veit: Du hast recht. Gut für uns Kaufleute aus Dollnstein wäre es, wenn wir auch in Dollnstein Markttag hätten.
Jakob: Dann bräuchten nicht wir zu den Kunden gehen, sondern die Kunden kämen zu uns. Vor der eigenen Haustür hätten wir Gelegenheit, unsere Waren zu verkaufen, auch neue einzukaufen.
Veit: Und am besten wäre es für den Grundherrn, denn der könnte Zölle und Abgaben kassieren. Freilich müsste er für Ordnung sorgen und uns beschützen. Mit einem Schutzbrief des Königs in Händen würden es die Ritter auf ihren Burgen nicht so leicht wagen, uns zu überfallen.
Jakob: Darum gebeten haben wir beim Grafen schon öfters. Aber er sagt, er hätte nie Gelegenheit, vom König den Schutzbrief zu erbitten.
Veit: Ich habe gehört, König Wenzel soll sich über Ostern in Nürnberg aufgehalten haben. Da wäre doch die Gelegenheit dazu gewesen.
Jakob: Ich glaub's nicht recht; schon zu lange haben wir darauf gewartet - obwohl, Freiherr Friedrich hat für heute Abend seinen Besuch in Dollnstein angesagt. Der Vogt hat recht geheimnisvoll getan.
Veit: Ich habe das Gefühl, als ob's diesmal was wird mit dem Marktrecht. - Jetzt eilt es mir doch noch, denn am Abend will ich beim Empfang des Freiherrn dabei sein.
Jakob: Und ich verschieb besser meine Reise, damit ich nichts versäume.

Beide gehen zurück nach Dollnstein.

   
15. Szene: Von der Burg ertönt ein Hornsignal. Burgbewohner und Dorfbewohner stellen sich zum Empfang Friedrichs von Heideck und seines Gefolges auf. Musikanten sind dabei.
Vogt: Ich wünsche, dass alle den Herrn Friedrich und seine Gemahlin Beatrix ehrerbietig empfangen. Die Männer verneigen sich, und die Weiber machen einen artigen Knicks. Und dass mir keiner ausspuckt, rülpst oder furzt!
Herr Friedrich ist ein feiner Herr.
Und ich habe scharfe Augen und Ohren.
Bürgermeister: Wir wissen, wie wir den Herrn Friedrich zu empfangen haben. Da braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen.

Ein Junge kommt atemlos angelaufen.

Junge: Sie kommen! Wunderschön ist die Frau Beatrix.
  Die edlen Herrschaften kommen auf den Platz geritten.
Die Musik setzt ein.
Der Vogt und die Vogtin gehen ihnen entgegen und verneigen sich.
Bürgermeister: Lang lebe Freiherr Friedrich von Heideck!
Alle: Lang lebe Freiherr Friedrich!
Bürgermeister: Lang lebe seine Gemahlin Beatrix!
Alle: Lang lebe Frau Beatrix!
Freiherr   Friedrich:
Ich danke euch für den herzlichen Empfang.
Nicht mehr selbstverständlich ist es, dass der Grundherr mit Wohlwollen empfangen wird.
Beatrix: Auch ich danke euch. Ihr habt uns eine große Freude bereitet.
Vogt: Nicht immer sind sie so untertänig. Ich habe auch manchen Ärger mit säumigen Zahlern und faulen Fronarbeitern.
Friedrich: Heute will ich nichts hören von euren Sorgen. Eine gute Botschaft ist es, die ich euch allen zu verkünden habe. König Wenzel hat mir das Recht verliehen, in Dollnstein Markt abzuhalten.
Alle: Hoch lebe der König! Hoch lebe König Wenzel! Er lebe hoch!
Friedrich: Hier ist die Urkunde. Mein Sekretär wird euch daraus vorlesen.

Er übergibt die Urkunde an den Sekretär. Dieser liest die verständlich gemachte Urkunde vor.
Danach brechen alle in Jubel aus, umarmen sich und tanzen herum.

Friedrich: Ich sehe, dass ihr wisst, was das bedeutet. Es ist für alle ein kleiner Schritt zu einem besseren Leben. Die Bäuerinnen müssen nicht jedes Ei und jede Henne auf den Markt nach Eichstätt schaffen. Unsere Handwerker können ihre Waren praktisch vor der Haustür verkaufen. Der König gewährt uns seinen besonderen Schutz.
Beatrix: Kaufleute bis aus Nürnberg und Augsburg werden ihre Waren nach Dollnstein bringen: Gewürze aus Indien, Teppiche aus Persien, Schmuck aus Venedig, Stoffe aus Augsburg, Werkzeuge aus Nürnberg.
Ein Wirt: Und die vielen Leute wollen essen und trinken. Und sie müssen übernachten und die Pferde einstellen.
Herr Friedrich, ich muss anbauen!
Friedrich: Tu das! Es ist notwendig. Dollnstein wird wachsen. Schon bald werde ich den Ort mit einer festen Mauer umgeben.
Ja, und für die Markttage braucht der Vogt einen tüchtigen Gehilfen, der sich um alles kümmert, für Ordnung sorgt, die Gewichte überwacht, Gebühren erhebt. Herr Pfarrer, wisst Ihr mir einen jungen Mann, der etwas lesen, schreiben und rechnen kann und auch sonst ein heller Kopf ist?
Pfarrer: Hm. Ja, doch, da gibt es einen. Es ist der Jüngste vom Kipferler, der Franz. Er hat mir beim Ministrieren fleißig über die Schulter geschaut und so lesen und schreiben gelernt.
Friedrich: Franz, dann komm mal vor!
Franz: Zu Diensten, Herr Friedrich!
Friedrich: Möchtest du mein Marktaufseher werden?
Franz: Nichts lieber als das! Juhu, Resl, jetzt kann dein Vater aber nichts mehr gegen unsere Heirat haben.
Moier: Wie könnte ich mich dem Glück meiner Tochter entgegenstellen? - Eine Amtsperson als Schwiegersohn ist auch nicht zu verachten.
Beatrix: Friedrich, du bist wunderbar! Jetzt hast du auch noch eine Ehe gestiftet.
Friedrich: Ja, das scheint ein Glückstag zu sein, auch für dich, Beatrix. Sieh mal, wer da drüben steht!
Beatrix: Gotthelf von Pappenheim! Der große Sänger!

Der Sänger kommt näher.

Gotthelf: Die Sonne geht auf! Seid gegrüßt, meine Herrin!

Er fällt vor ihr nieder und küsst ihr die Hand.

Beatrix: Steht auf, steht auf! Nicht mir gebührt Ehre, sondern euch. Ich bin nur ein Weib. Ihr aber seid ein Sänger, dessen Lieder unsterblich sind.
Gotthelf: Ihr, meine Herrin, tut mir zu viel der Ehre an. Ich bin glücklich, in eurer Nähe zu sein.
Beatrix: Dann bleibt recht lange auf der Burg! Unterhaltet uns mit Euren Liedern!
Ihr habt recht, Friedrich, das ist ein Glückstag.

Die Löffelmacherin drängt sich vor.

Löffelmacherin: Ein Glückstag - nicht für mich. Alle freuen sich, aber mein Mann sitzt unschuldig im Loch!
Vogt: Ich habe ihn heute Nachmittag eingesperrt. Er wurde beim Wildern ertappt, leugnet aber.
Friedrich: Du hast recht, gute Frau. Aber auch dir kann geholfen werden.
Herr Vogt, lasst ihren Mann frei! Das Glück soll heute vollkommen sein.
Löffelmacherin: Ich danke Euch, mein Herr!
Friedrich: Aber nun tanzt und singt und seid fröhlich!
Herr Vogt, lasst Bänke und Tische im Burghof aufstellen und holt Met und Bier aus dem Keller!

An diesen Tag soll man sich noch in 600 Jahren erinnern!

  Frauen und Mädchen stellen sich zu einem Tanz auf, die Musik setzt ein, Frauen tanzen einen Reigen.
Im Anschluss daran stellen sich alle Schauspieler auf, um den Beifall entgegen zu nehmen.

 

 

Personen und ihre Darsteller:

Freiherr Friedrich von Heideck
Seine Gemahlin Beatrix
Sekretär des Freiherrn
Vogt Seyfried Stuhler
Seine Gemahlin Agnes
Pfarrer von Dollnstein
Gotthelf von Pappenheim, ein Sänger
Moier, Bauer
Schorn, Bauer
Stoischreiner, Handwerker
Schmiedpeter, Handwerker
Jakob Ziller, Kaufmann
Veit Zellner
Löffelmacherwig
Löffelmacherin, dessen Ehefrau
Franz, ein Häuslersohn
ein Wirt

Mägde auf der Burg:
Resl, Tochter des Moier
Marie
Eva

1. Geißler
2. Geißler
3. Geißler
9 weitere Geißler

Amtsknecht des Vogts
Büttel des Vogts
Knecht des Freiherrn
Knecht des Freiherrn

Frauen von Dollnstein

2 Knaben


5 Kinder der Löffelmachereheleute

 

 

Hugo Bittlmayer
Elisabeth Graf
Ferdinand Seyberth
Konrad Liepold
Hildegard Nieberle
Hans Bittl
Helmut Baumann
Eustach Helmer
Ludwig Eder
Josef Hager
Herbert Meier
Erich Bittl
Wilhelm Link
Bernhard Grüner
Marianne Bauch
Franz Hell
Raphael Graf


Jutta Spiegl
Margit Helmer
Renate Ziller

Wolfgang Gangl
Wolfgang Rehm
Josef Bauer
Verein Fröhliche Brüder

Roman Rehm
Raphael Graf
Wolfgang Rehm
Werner Mittermeier

DJK

Stefan Hummel
Norbert Schuster

Christian und Sebastian Eder
Gloria und Julia Hell
Eva Grüner

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600 Jahre
Markt Dollnstein

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