18.11.2006

Verbriefte 1000-Jahr-Feier

Dollnsteiner Urkunde ist echt

Von Josef Bartenschlager

Dollnstein (EK) Lange Gesichter in Tagmersheim und Zell. Die Urkunde, auf deren Grundlage diese Orte ihre 1000-Jahr-Feiern ausrichten, ist eine Fälschung. Freude dagegen in Dollnstein. Der Markt kann beruhigt sein Jubiläum begehen.

Tagmersheim und Zell haben bereits fest ihre 1000-Jahr-Feiern für 2007 geplant; der Großmehringer Gemeinderat will sich am Dienstag entscheiden, ob ein entsprechendes Fest ausgerichtet werden soll. Grundlage für diese Festivitäten ist eine Urkunde, nach der Kaiser Heinrich II. angeblich die Orte Tagmersheim, Zell und Großmehring an das Benediktinerinnen-Kloster in Neuburg geschenkt haben soll. Allerdings: Das vorliegende Schriftstück stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Als Grundlage für die Fälschung diente eine tatsächliche Urkunde des 1146 heilig gesprochenen Herrschers, mit der er die früheren Besitzungen des verstorbenen Grafen Ernst zu Dollnstein den Benediktinerinnen in Bergen zueignete. Hier wird der Ort "Tollunstein" erstmals schriftlich erwähnt. Die Urkunde wurde "gegeben am 17. Tag vor den Kalenden des Mai, in der 5. Indiktion, im Jahre 1007 der Menschwerdung des Herrn, im 5. Jahr der Regierung des Herrn Heinrich II. Geschehen zu Regensburg, zum Heil und Segen. Amen." Gemeint ist der 15. April 1007.

Am 15. April 2007 findet übrigens der Festakt zur 1000-Jahr-Feier in Dollnstein statt, die der Markt sozusagen mit kaiserlichen Brief und Siegel begeht. Denn wie Diplom-Archivarin Sandra Scharmüller vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München bestätigte, ist die Schenkungsurkunde ans Kloster Bergen in keiner Weise angezweifelt. Das Original befindet sich in ihrem Haus. Auch in der einschlägigen Edition "Monumenta Germaniae Historica", in der die Urkunden der deutschen Kaiser und Könige gesammelt sind, findet sich diese Urkunde als echt bezeichnet.

Die Fälscher aus dem 14. Jahrhundert haben diese Urkunde genommen, sie wörtlich mit allen darin enthaltenen Eigentümlichkeiten abgeschrieben und lediglich die Ortsnamen ausgetauscht. Nun waren es eben Tagmersheim, Zell und Großmehring, die verschenkt wurden und die Empfängerinnen waren nicht mehr die Benediktinerinnen in Bergen, sondern die in Neuburg.

Die Gründe für die Fälschung können vielfältig gewesen sein. Das Neuburger Kloster könnte durchaus legitime, vielleicht sogar von Kaiser Heinrich II. übertragene Besitzansprüche an die drei Orte gehabt haben. Nur war die Originalurkunde verloren gegangen und irgendwie musste Ersatz herangeschafft werden. Das Problem war nämlich, dass die deutschen Könige und Kaiser über Jahrhunderte keine feste Residenz hatten, sondern von Ort zu Ort, von Pfalz zu Pfalz zogen. Damit gab es auch kein zentrales Archiv. Da konnte es schon mal vorkommen, dass Vorrechte, Privilegien und auch Besitzungen mehrfach vergeben wurden, weil der jeweilige Herrscher nicht wusste, was einer seiner V orgänger verfügt hatte. Mitunter galt es auch, Gewohnheitsrecht juristisch hieb- und stichfest zu machen oder jemand versuchte, sich Rechte zu erschleichen. Das ging nur über eine Urkunde, und hier lautete das Motto: Je älter, desto besser. Wer auf Nummer Sicher gehen wollte, bat den jeweiligen Herrscher, seine Urkunde zu bestätigen. Bei dieser Gelegenheit ließ sich – je nach persönlicher Beziehung zum Herrscher oder eigener Skrupellosigkeit – das ein oder andere zweifelhafte Schriftstück unterschieben.

Das Mittelalter ist nicht ohne Grund als das "Zeitalter der Fälschungen" genannt worden. Getrickst haben alle Stände und Schichten, der Herzog ebenso wie der Bischof, der niedere Adel wie das Bürgertum. Sogar der Papst griff zu solch unfeinen Praktiken, manchmal mit weltpolitischen Folgen.

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